Lena Göbel

Text

„In meiner Arbeit ist mir das Ursprüngliche wichtig, deshalb wähle ich auch bewusst seit ca. 20 Jahren die Technik des Holzschnittes. Dieser ist zentraler Halt und Mittelpunkt meiner künstlerischen Arbeit. Mit der Tradition und stereotypen Rollenbildern zu brechen, sie zeitgemäß zu verarbeiten, ist mir ein Anliegen. Man knüpft an die Historie an und ist gleichzeitig so frei, diese zeitgemäß immer wieder neu zu beurteilen. Dieser unkonventionelle Umgang mit einer alten Technik ermöglicht mir einen Weg Traditionelles mit Aktuellem zu verbinden. Ich verfolge mein Konzept auch emotional und intuitiv.

Durch Uneindeutigkeit und Irritation soll der Betrachter zum längeren Hinschauen verleitet werden. Die im letzten und auch diesem Jahr entstandenen Arbeiten beinhalten einen neuen, abstrakteren Entwicklungsschritt.

Meinen Arbeiten liegt neben der Malerei und Druckgrafik eine wesentliche bildhauerische Ebene inne. Die großformatigen Druckstöcke sind Teil eines Gesamtkonzeptes, aber stellen auch völlig eigenständige Objekte dar. Auch die Art und Weise wie die Mischtechniken bzw. überarbeiteten Holzschnitte auf der Leinwand entstehen, hat einen beinahe bildhauerischen Charakter. Das Zusammenfügen von Druck und Malerei in Form von Collage auf Leinwand ist ein plastischer Prozess und ermöglicht mir die Vielschichtigkeit seiner Entwicklung spürbar zu machen.“ – Lena Göbel, 2021

2022 ARTIST PORTRAIT – munchies art club

2022 Artikel Eichhorn

2020 PARNASS -ANTON FAISTAUER PREIS

2020 Interview mit Marlene Poeckh für „Les Nouveaux Riches Magazine“

oö nachrichten 2019, „2 CAPTAINS – 1 MISSION“

oö nachrichten 2018

oö nachrichten 2016

OÖ Nachrichten Oktober 2015

DADA auf dem Lande artmagzine

art-port: Goldhaubenrausch

kunstnet Goldhaubenrausch

ESSL Museum – Die Zukunft der Malerei

Galerie 422 Letzte Ausfahrt Hinterstoaning

die Kunstsammlung des Landes OÖ

 

Lucretia, My Reflection – Claudia Novak, 2021

Sisters of Mercys “Lucretia My Reflection” hallte im ersten Lockdown 2020 durch Lena Göbels Atelier und legte die Grundstimmung für vielschichtige Reflexionen rund um eine erschreckend zeitlose Figur der (Kunst-)Geschichte. Lucretia war bekannt für ihre Schönheit und Tugendhaftigkeit, galt als Vorbild einer treuen Gemahlin. Nach einer Vergewaltigung durch den Sohn des römischen Königs bestrafte sie sich selbst mit einem frei gewählten Tod. Das Bild ihrer Scham und ihrer Tugend, die vielen Facetten ihres Daseins und der Folgen physischen und psychischen Missbrauchs dienen hier als zeitloses Spiegelbild. Ein Blick vor die eigene Haustür genügt. In der Gewalt an Frauen zählt Österreich zu den europaweiten „Vorreitern“. Dies führt nicht wie in der Geschichte Lucretias zum Fall eines Königreichs, sondern implodiert zu kollektiver Ignoranz hinter verschlossenen Augen und zu stillem Ertragen-Müssen, zu Sich-Schmutzig-und-Schuldig-Fühlen, zu emotionaler Isolation und Einsamkeit der Betroffenen.  

“Spieglein, Spieglein

an der Wand,

was geschieht

in unserem Land?”

Lena Göbels Werke spiegeln ein zeitloses gesellschaftliches Phänomen in einem Frauenbild aus dem Jahr 500 vor Christus und werfen vielschichtige universelle Fragen auf. 

Was geschieht hinter den Masken von Frauen, die stoisch Scham und Schmerz ertragen? Wie kommt es, dass Täter als manipulierte Opfer dargestellt und Opfer zu Tätern dämonisiert werden? Warum wird bereits jungen Mädchen vermittelt, süß und lieblich, zurückhaltend und zart sein zu müssen während Buben und Männer für ihre Wildheit und Stärke gesellschaftlich gefeiert werden? Sind uns Tiere an Authentizität überlegen, zumal sie kein Schauspiel rund um ihr Innenleben veranstalten und maskenfrei durchs Leben gehen? Schenkt uns Tracht soziale Zugehörigkeit oder symbolisiert sie kultiviertes Entsprechen und verbirgt sich unter der Goldhaube sogar emanzipatorische Gestaltungsmacht und Rebellion?

Lena Göbel wehrt sich gegen oberflächliche, schnell konsumierbare Antworten und so kommen ihre Reflexionen ganz ohne erhobenen Zeigefinger aus. Vielmehr verhandelt sie in ihren Werken vorurteilsfrei mit archaischer Kraft und sensibler Zartheit, zuzwinkernd und verschmitzt lächelnd, faustdick hinter den Ohren und verletzlich im Herzen ein facettenreiches vielschichtiges Frauenbild. Selbst ihre Technik verkörpert Komplexität und buchstäblich Tiefgang, Vielschichtigkeit und Vielfalt statt glatter Oberfläche.  Ein Werk und eine Künstlerin, wo wir uns stets neu entdecken. 

“Gibt es einen 

besseren Spiegel 

als die Kunst?“

 

 

Lena Göbel und der Holzschnitt (Florian Steininger, 2019):

Seit Lena Göbels künstlerischen Anfängen steht der Holzschnitt im Zentrum ihrer medialen Auswahl. Dynamisch expressionistische Furchen definieren das Holz – die erhabenen und im nächsten Schritt mit Druckerfarbe eingewalzten Stellen werden auf einem Blatt Papier spiegelverkehrt sichtbar gemacht. Wie auch in der Beschneidung der Druckvorlage ist der Druckprozess ebenso körperlich bestimmt, da die Künstlerin auf eine Druckerpresse verzichtet und per Hand das Blatt abreibt. Monumentalität, figurative Expressivität und Originalitätscharakter sind die Leitbegriffe, die sich hierbei erkennen lassen.

In den Anfängen des Holzschnittes fungierte die Hochdrucktechnik als Flugblatt, als klerikal-propagandistischer Flyer. Die sogenannten Einblattholzschnitte mit religiösen Sujets sind die ältesten künstlerischen Zeugnisse des Holzschnittes, die um 1400 entstanden sind. Ebenso kompakt im Format waren Albrecht Dürers Holzschnitte, zumeist im bibliophilen Kontext publiziert. Das Kabinettformat des Holzschnittes blieb über die Jahrhunderte aufrecht, ob bei den Künstlern der Renaissance und des Manierismus von Dürer bis Ugo da Carpi und dessen farbig abgestuften Chiaroscuro-Holzschnitten über die Japanischen Holzschnitte von Hokusai und Hiroshige bis in die klassische Moderne bei Edvard Munch und den Brücke-Künstlern. Erst in der US-amerikanischen Nachkriegskunst um 1945 trat eine drastische Vergrößerung des Formats in der Druckgrafik ein, allen voran im Abstrakten Expressionismus und der Pop Art – aus dem Staffeleibild wurde ein Feld. Die Druckgrafik erlebte einen regelrechten Boom, allerdings fokussiert auf die Techniken Siebdruck und Lithografie, bei denen Robert Rauschenberg den Weltrekord mit dem Siebdruck Currents mit einer Breite von etwa 17 Metern hält. Der Holzschnitt hat allerdings erst im Neoexpressionismus der 1970er- und 1980er-Jahre im übergroßen Format mit Georg Baselitz und Anselm Kiefer seine Blüte erlebt. In Österreich hat Erich Steininger in den 1990er-Jahren mit dem Werk Körper wird Land einen 4,8 x 17 Meter großen mehrteiligen Holzschnitt erschafft. Lena Göbels Diplomarbeit im Jahre 2008 an der Akademie der Bildenden Künste am Schillerplatz maß stolze 2,6 x 5,10 Meter. Sie studierte in der Meisterklasse von Gunter Damisch, der ebenso im Medium des Holzschnittes zahlreiche großformatige Werke geschaffen hatte. Im Unterschied zu ihrem Lehrer, der vor allem mit abstrahierten Formen und detailreichen Strukturen seine Druckgrafiken bespielte, arbeitet Lena Göbel ausschließlich figurativ. Zwitterwesen – halb Mensch, halb Tier – bevölkern die Bilder, zumeist in einem Porträttypus gefasst, der aus Gemälden von Lucas Cranach entnommen sein könnte. Katzen, Fische in trachtig-prächtiger Robe, verewigt im monumentalen Bildformat. Die gedruckte Linie im Holzschnitt wirkt stets fahrig, wild, gestisch und lebendig. Das Expressionistische findet sowohl im Duktus der Künstlerin als auch im Ausdruck des figurativen Motivs seinen Widerhall. Hierbei steht Göbel in der unmittelbaren Traditionslinie mit den expressionistischen Brücke-Künstlern und den Neoexpressionisten wie Baselitz und Kiefer. Per se ist der Holzschnitt sehr statisch, unbelebt. Klare lineare Stege, die Figur und Motiv beschreiben, werden aus dem Holz herausgeschnitten. Bei Göbel erfährt er hingegen Offenheit und Expression. An sich ist der Holzschnitt ein reproduzierbares Medium, Kunst mit Auflage. Im Falle von Lena Göbel ist jedes einzelne Werk ein Original und hat Unikatcharakter. Jeder Abdruck steht für sich und wird nachträglich malerisch mit Lack oder Harz weiterverarbeitet und zumeist auf der Leinwand kaschiert.

Lena Göbel vitalisiert das sperrig-hölzerne Medium ungemein und findet eine authentisch-frische Bildsprache im Materiellen mittels persönlichen Handanlegens und des physischen Spuren-Hinterlassens.

 

Björn Engholm, 2019:

Bei Lena Göbel sind es die anthropo-zoomorphen Figuren, die teils drohend, düster, archaisch, mal verwirrend schön und prächtig daherkommen, immer mit einem Augenzwinkern, einer guten Portion Ironie hinterlegt. Sie spielt mit den Mythen in unserem Unbewusstsein. Und wir erinnern uns, wenn wir die Bilder betrachten, etwa an die Chimäre. Die Chimära oder ihre Schwester Hydra. Wir erinnern uns an Sphynx, Zentaur, Pegasus, den Minotaurus oder den Faun. Und mit denen verbindet sich mancherlei. Es verbindet sich damit Angst und Sehnsucht, Mut und Unbeherrschtheit, Lüsternheit, Demut, Dummheit bis hin zu olympischer Weisheit. Die ganze Spanne von Urängsten, von Destruktion bis Konstruktion. Vielerlei von dem, was in diesen Bildern subkutan angelegt ist, finden wir bei genauem Hinschauen in unseren heutigen Gesellschaften. Die Unbeherrschtheit der Mächtigen, ihre Gier. Das Tierische im Menschen, Wölfe im Schafspelz. Das Böse in der scheinbar wunderbar friedlichen, kleinen Idylle. Und dazwischen immer wieder neue Horizonte.

 

Von widerspenstigen Tiermenschen, feschen Trachten

und schmucken Goldhauben 

– die archaischen rauen Holzschnitte der Künstlerin Lena Göbel

Eröffnungsrede zur Ausstellung Hechte trachten Dirndl dichte – Atterseehalle Sommer 2016 – leicht redigiert – von Günther Oberhollenzer

 

Ein wilder Fisch im Dirndl, eine stolze Katze mit Heiligenschein, ein frecher Hamster mit Goldhaube und ein bedrohlicher Greifvogel: in der Welt von Lena Göbel bevölkern allerlei wunderliche Tierwesen die Leinwand. Die Künstlerin erfindet Zwitterwesen, lässt Tiere wie Menschen erscheinen, Menschen wie Tiere. Wenn Göbel eine Katze zeichnet oder druckt, ist diese nicht das liebliche Haustier, sondern ein geheimnisvolles Wesen, das dem Betrachter stark und selbstbewusst entgegentritt, ja fast unangenehm berührt. Besonders unheimlich und rätselhaft erscheint der verschroben wuchtige Fischmensch – eines der Bilder trägt den bezeichnenden Titel „Blutkarpfe“. Hier will die Künstlerin durchaus verstören, gerade auch dadurch, dass sie mit uns bekannten, alltäglichen Motiven spielt und diese collageartig in einen neuen, eigentümlichen Kontext überführt.

Göbel fühlt sich „erdigen, heimatnahen“ Themen verbunden, wie sie nicht ohne Ironie betont. Sie setzt sich mit ihrem Leben und dem Landleben, ihrer Herkunft auseinander, „mit dem Brauchtum und den Eigenheiten auf dem Land, wie der Jagd, der Wilderei oder auch den Trachten“, und ersinnt Bilderzählungen von düsterer und humorvoller,  von archaischer und märchenhafter Schönheit – Bilder immer getragen von einer geheimnisvollen, auch märchenhaften Grundstimmung. In den Posen und Gesten zitiert die Künstlerin profane und sakrale Darstellungen aus der Kunstgeschichte und interpretiert klassische Bildtypen neu.

In widerspenstigen Porträts macht sie sich Heiligen-darstellungen, das Bildnis eines Hochzeitspaares oder besonders die Darstellungen von Trachten und Goldhauben zu eigen – und wir begegnen sogar Chewbacca aus Star Wars.

Mensch-Tier-Mischwese oder Tiere, die wie Menschen auftreten, sind so alt wie die Menschheitsgeschichte und ein wichtiger Teil der Kulturgeschichte, von der Religion und Mythologie bis zu den Fabeln, Märchen und der Heraldik. Seit jeher beflügeln sie unser Denken, unsere Phantasie, unsere Vorstellungskraft. Der Mensch sei in seinem Handeln, oft wie ein Tier, so die Künstlerin, ja gar primitiver, da ihm häufig die Urinstinkte fehlen. Ihre
surreale Vermischung von Tier und Mensch (aber wohl auch das Motiv des Jägers) lässt somit auch an das Wilde und Triebhafte, das Unkontrollierte und Unbewusste denken, das in uns Menschen verborgen ist.

In der Umsetzung wählt Göbel eine außergewöhnliche Technik. Der Holzschnitt ist ein künstlerisches Medium, das kaum mehr in der zeitgenössischen Kunst anzutreffen ist. Eine Technik der Vergangenheit, die in der Gegenwartskunst keinen Platz mehr hat, so ein gängiges (Vor)Urteil. Göbels künstlerische Arbeit straft solche Aussagen Lügen und lässt erkennen, welch ungeheure Kraft in dieser traditionellen Technik nach wie vor verborgen sein kann. Nach Jahren in Berlin, dient nun eine alte Werkstatt in ihrem Heimatort Frankenburg und ein Atelier in Wien als Arbeitsraum.

Göbel arbeitet im Handdruck, der eine physische (statt maschinelle) Kraft erfordert. Anfangs hat sie sich der reinen Drucktechnik bedient, mit der Zeit aber größere Formate gestaltet und begonnen, die bedruckten Papiere auf Leinwand zu kaschieren und malerisch weiter zu bearbeiten. Besonders eindrucksvoll sind die lebensgroßen, roh behauenen Druckstöcke und Holzreliefs. Materialität und Oberflächengestaltung sind Göbel sehr wichtig, die Bilder leben von ihrer unmittelbaren sinnlichen Optik wie Haptik. Der malerische Akt ist in seiner zeitlichen Dimension erfahrbar, durch das prozesshafte Überlagern und Überlappen einzelner Malschichten und Arbeitsschritte wird der Schaffungsprozess in seinem kreativen Ablauf sichtbar. Schellack und Epoxidharz erzeugen eine bernsteinfarbene, durchscheinende Tönung, Asphaltlack, mit Leinöl verdünnt, eine breite Farbskala in Braun und Schwarz. Göbel verwendet bewusst transparente Malmaterialien wie das Harz, damit die darunterliegende Schicht des Holzschnittes erkennbar bleibt.

Bei manchen Arbeiten hat die Künstlerin den Holzschnitt nicht nur mit Ölfarbe malerisch gestaltet, sondern auch übermalt und neue Teile hinzugefügt (so etwa beim „Blutkarpfe“ / Abb. rechts). Beide Techniken profitieren voneinander, jede Technik hat ihren Sinn.

Es ist ein Arbeiten zwischen aktiv komponieren und auf das Bild reagieren: Der Holzschnitt besitzt etwas Wildes, er ist beim Schneiden und Drucken körperlich fordernd, anstrengend. Mit dem Malen geht hingegen eine kontemplative Ruhephase einher, auch eine Zeit des Nachdenkens. Beim Holzschnitt sind die Kontraste stark und hart, er ist nicht mehr veränderbar – was gedruckt ist, ist gedruckt. Die Malerei ist weich und zart, durch sie kann Göbel korrigieren, ergänzen, übermalen. Der Holzschnitt ist plakativ und expressiv (auch Schrift kommt jüngst in den Bildern vor und erinnert an expressionistische Plakate der Jahrhundertwende).

Die Malerei ist verwaschen und stimmungsvoll, ja impressiv.

„Mich muss die eigene Arbeit immer fordern“, so Göbel. „Der Holzschnitt ist eine große körperliche Anstrengung, eine skulpturale Arbeit, daneben aber natürlich auch eine geistige Herausforderung, ein Nachdenken und Überlegen, wie man das Bildmotiv umsetzt.“ Vieles passiere auch unbewusst, so die Künstlerin weiter, und ist ein instinktives „Hineinspüren“. Oft erkenne sie erst später, wohin sie das Bild führt. Die Farben der Malerei werden direkt auf der Leinwand oder dem Papier gemischt, was den Bildern eine große Unmittelbarkeit verleiht.

Die Arbeiten sind nicht perfekt gedruckt und gemalt. Ein Glück, denn die bewusste Schlampigkeit verleiht ihnen eine gewisse „Lässigkeit“, eine ungewöhnliche Frische und Kraft. Göbel ist eine selbstbewusste Künstlerin, in ihrer künstlerischen Realität muss nicht alles genau ausformuliert sein, vieles darf gar nicht zu genau gemalt sein, um die Ausdrucksstärke zu behalten. Ihr gelingt es, diesen Moment zu erkennen und rechtzeitig mit dem Malen aufzuhören.

Das Ergebnis sind Malereien, Holzschnitte, Mischtechniken, die uns herausfordern und überraschen, uns berühren, aber auch irritieren. Bilder, die eine große Offenheit in der Deutung und Interpretation zulassen. Geschaffen von einer Künstlerin, die nicht nur ihre Techniken hervorragend beherrscht, sondern auch geschickt und ausdrucksstark mit bedeutungsschwer aufgeladenen Themen und Motiven spielt, einer Künstlerin, die eine unverwechselbare, individuelle Handschrift entwickelt hat und in ihrer kreativen Praxis authentisch und glaubwürdig ist. Das macht die besondere Stärke und Anziehungskraft ihrer ausgefallenen Arbeiten aus, denen man sich trotz ihrer Rätselhaftigkeit oder gerade auch deshalb kaum entziehen kann.

 

Die Wucht des Holzschnitts – Karla Starecek, Kunsthistorikerin, Wien (Parnass 3/2014)

Lena Göbel hat ein altes, traditionsbehaftetes, fast schon archaisches künstlerisches Medium für sich entdeckt: den Holzschnitt. Bereits im Alter von 17 Jahren macht sie Holzschnitte, die die Natur sowohl zum Sujet als auch zum Material haben. Die unmittelbare, physisch intensive Arbeit mit dem Urstoff Holz und die kreativen Möglichkeiten, die diese Art der Druckgrafik sowohl in ihrer skulpturalen als auch grafischen Qualität bietet, reizen und fordern die junge Oberösterreicherin heraus. Mit scharfen Messern schnitzt sie Bilder in mittelformatige Hartholzplatten genauso wie in überlebensgrosse Baumstämme und presst sie dann, mit der Hand, auf die Leinwand.

Diese manuelle Übertragung ist körperlich anstrengend, doch so kann die Künstlerin Farbwerte, Intensität und damit den Ausdruck besser steuern. Mit Farbe, Schellack oder Asphaltlack überarbeitet Lena Göbel ihre Holzschnitte, erzeugt transparente, tiefgründig-dunkle oder glänzende Tönungen in Braun, Schwarz und Bernstein.

Göbel, 1983 in Ried im Innkreis geboren, studierte von 2003-2008 bei Gunter Damisch an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Ihr Professor, dem sie als Diplomarbeit eine 2,6 x 5,1 Meter große Arbeit präsentierte, nennt sie “eine Wegbereiterin einer neuen Zuwendung zu alten Drucktechniken, die auf heutige Weise interpretiert und weiterentwickelt werden und zu neuen Bildern gerinnen”.

Nach dem Diplom zog sie für fünf Jahre in die pulsierende Metroplole Berlin. Seit 2014 ist sie wieder zurück, pendelt zwischen Wien und Frankenburg am Hausruck. Der Rückzug ins Ländlich-Heimatiche ist für Göbel ein wichtiger Ausgleich, wie auch ihre Themen beweisen. Derzeit widmet sie sich der reinen Malerei in ausdrucksstarken Tierporträts und in einem Zyklus von Jägern und Wilderern, der den Konflikt zwischen Menschen und deren Umgebung zur Natur thematisiert.

 

Prof. Gunter Damisch:

„Das Yin / Yang Denken im Schwarz / Weiß des Holzschnittes fördert eine Meditation über die Verteilung der hellen und dunklen Anteile an Phänomenen, die wahrgenommen und dargestellt werden. Licht & Schatten, getrennt und vereint zum Zweck der Darstellung und des Erkennens, spielen eine Hauptrolle in den Arbeiten von Lena Göbel, sie läßt die Dimensionen wachsen, verschmilzt die polaren Qualitäten des Holzschnittes mit malerischen Spuren und Ergänzungen, die einen farbigen Klang in die Kammermusik der Grafik bringen, gibt alltäglichen Situationen und Dingen eine neue und überraschende Präsenz, Dynamik und Perspektive. Sie ist eine Wegbereiterin einer neuen Zuwendung zu alten Drucktechniken, die auf heutige Weise interpretiert und weiterentwickelt werden und zu neuen Bildern gerinnen.“

The yin and yang thinking inherent to the black and white of woodcuts stimulates a meditation on the distribution of light and dark in the phenomena we perceive and portray. Light and shadow, separated and re-united in a function of portrayal and recognition, play a leading role in the works of Lena Göbel. She allows dimensions to expand and fuses the polar qualities of woodcut with painterly traces and compliments, introducing a colourful note into the chamber music of the graphic arts. She lends everyday objects and situations a new and surprising presence, dynamic and perspective. She is a pioneer in the rediscovery of the old printing techniques that the contemporary scene is re-interpreting and developing, and using to form new images.

 

 

Ausstellung: LENA GÖBEL. BIRNBAUM RETOUR. 

KUNSTVEREIN STEYR. 22. Sept.–11. Nov. Vernissage 21. Sept. 2012, 19 Uhr 30

 

Der Kunstverein Steyr präsentiert ab 22. September 2012 (Vernissage 21., 19 Uhr 30) die  hoch interessante, in Berlin arbeitende Künstlerin LENA GÖBEL. Mit dem Titel „BIRNBAUM  RETOUR“ wählt sie einen Titel der ihre neuesten Werke des Holzschnittdruckes unmittelbar mit der Region Steyr verbindet. Denn im Mittelpunkt steht das 2012 geschaffene Werk  das aus einem um die 200 Jahre alten Birnbaumes aus dem Enzengarn vom Gründberg hervorgeht. Der einst mächtige Baum erhält somit eine Metamorphose aus neuer tiefgründiger Mächtigkeit durch die Künstlerin. Diese Tiefgründigkeit die den Betrachter in Dimensionen der Innerlichkeit versetzt ist überhaupt der weitgehend unbeschreibbare Eindruck den Lena Göbel mit ihren Werken vermittelt. Sie arbeitet ihre Gedanken mit hoher Energie in das Holz, diese Gedanken kommen dann mit feinen Konturen jedoch als ausdruckstarke Bilder zurück. So schafft sie mit der klassischen Methode des Holzschnittes sie eindrucksvoll Neues wie ihr Lehrer und Eröffnungsredner bei der Vernissage Gunter Damisch, renommierter Professor an der Akademie der angewandten Künste in Wien, bemerkt:  „das ying / yang denken im schwarz / weiß des holzschnittes fördert eine meditation über die verteilung der hellen und dunklen anteile an phänomenen, die wahrgenommen  und dargestellt werden. licht & schatten, getrennt und vereint zum zweck der darstellung und des erkennens, spielen eine hauptrolle in den arbeiten von lena göbel, sie läßt die dimensionen wachsen, verschmilzt die polaren qualitäten des holzschnittes mit malerischen spuren und ergänzungen, die einen farbigen klang in die kammermusik der grafik bringen, gibt alltäglichen situationen und dingen eine neue und überaschende präsenz, dynamik und perspektive.  sie ist eine wegbereiterin einer neuen zuwendung zu alten drucktechniken, die auf heutige weise interpretiert und weiterentwickelt werden und zu neuen bildern gerinnen.“

 

Genau mit dieser archetypischen Technik – arche steht für das Ur-sprüngliche -, das in ein Bild verwandelnde Bearbeiten des Urstoffes Holz, dringt Lena Göbel auch emotional tief in das Ursprüngliche des Betrachters ein. Das akzentuiert sich auch noch mit ihrer zurückhaltenden, aber unverwechselbaren Farbgebung. Die Motiv sind nicht immer leichte Kost. Sie beziehen sich gerade in der jüngsten Arbeit auf das Verhältnis zu Natur und zur Spannung des Menschen mit dem Umgang zur Natur. Bis hin zu Konflikten des Wilderns und deren Verfolgung. Das auf der Streck bleiben wird zum Ursymbol von System und Widerstand. Diese originär aufgezeigt Spannung von ästhetischer Ordnung, die oft gerne als gefällig gesehen wird, und innerer Zerrissenheit ist auch bei früheren Bildern, insbesondere von Menschen und Tieren, bei Lena Göbels Arbeiten als ihre genuine Ausdrucksform nachvollziehbar

Ihre Bilder auf sich wirken lassen, sich mit ihren Bildern in Beziehung setzten, öffnet somit Dimensionen  die in uns verborgen oder verschüttet  sind. Es ist das Archetypische, das Ursprüngliche und auch Urmächtige in ihren Darstellungen von Mensch, Natur und Raum das in uns angesprochen wird – und das unwahrscheinlich in den Bann zieht. „Es ist das Überraschende, das Überzeugende, das was auf den ersten Blick einnimmt“ meint treffend Johannes Jetschgo, Kultur- und Chefredakteur  des ORF, im Vorwort ihres Kataloges. Lena Göbels Bilder können daher nicht nur formalistisch vorgestellt werden, sondern man sollte ihnen philosophisch, lebens- und existenzphilosophisch nahe treten. Man sieht viel von sich selbst und von den anderen in ihnen das vorher nicht sichtbar war.

Die mit ihren knapp dreißig Jahren junge Künstlerin hat sich somit bereits einen höchst bemerkenswerten Platz in der Welt der Kunst erarbeitet.

Es gelingt somit dem Kunstverein Steyr neuerlich eine Künstlerin von höchster Professionalität und in ihrer Jugendlichkeit mit unwahrscheinlich tiefgründiger Weisheit auszustellen, deren Zukunft noch viel erwarten lässt.

Enrico Savio

 

 

Es gibt für jede Generation bildender Künstler Städte, die Entwicklung versprechen. Zu diesen Metropolen gehörten im vergangenen Jahrhundert Wien, später München, dann Paris. In den jüngeren Jahrzehnten New York, Köln und jetzt Berlin. Lena Göbel hat Berlin zu ihrer Stadt gewählt. Wenn sie heute nach Oberösterreich kommt, an den Platz ihrer Jugend, ist sie ein Gast aus Berlin, aus einer Großstadt, deren Bild auch manche Sujets Lena Göbels beeinflußt. Die Stadt ist für sie und ihre Arbeit wichtig geworden und für die Entwicklung beider. Die Wucht der Bildformate allerdings war schon vorher da. Es ist das Überraschende, da Überzeugende, das was auf den ersten Blick einnimmt. Dabei sind Formate dieser Größe schon eine Herausforderung für den Holzschnitt. Lena Göbel praktiziert diese Druckgrafik seit sie 15 ist, ein Kompliment für die Schulen des Hausruckviertels, jener Gegend Oberösterreichs, die vergleichsweise unbeachtet, sich zwischen Donau, Inn und Salzkammergut erstreckt. Sie hat mit 17 schon ihre ersten Ausstellungen bestritten, Holzschnitte in denen die Natur das Sujet liefert. Parallel hat sie sich mit der Radierung beschäftigt, aber der Holzschnitt ist letztlich ihr Metier geblieben, auch deshalb, wie sie bekennt, weil sie diese Technik in ihrem kreativen Umfeld nur für sich hatte. Diese stille Dissidenz, die Künstlerin wuchs schließlich in einem Elternhaus auf, in dem Mutter wie Vater, Maria Moser und Heinz Göbel als Künstler leben und arbeiten, hat sich gelohnt. Mit dem Messer in Holz zu schneiden, das Material auch großflächig zu bearbeiten, das zeigt Lena Göbel als eine Künstlerin, die ebensosehr der Bildhauerei verbunden ist. Sie sucht die Nähe der Skulptur. Lena Göbel hat bei Gunter Damisch an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert und ihre Diplomarbeit 2008 abgegeben, eine Arbeit in der stattlichen Größe von 2.60 x 5.10 Metern. Das war mit herkömmlichem Birnenholz, das sie bis dahin für kleinformatige Arbeiten aufgrund seiner Härte verwendete, eben um die messerscharfen Konturen zu erreichen, nicht mehr möglich. Deshalb erarbeitet sie Großformate auf Faserplatten, ohne daß das Großformat allein favorisiert würde. Im Holzschnitt ließen sich natürlich große Auflagen drucken. Walter Koschatzky sagt in seinem Standardwerk über die Grafik, eine Auflage von 100 Stück wäre kein Problem, er kritisiert aber auch, der Linie des Holzschnitts hafte etwas Unbelebtes an. Beides bewältigt Lena Göbel hervorragend. Zum einen vermeidet sie den großen Seriencharakter, im allgemeinen fertigt sie maximal 5 eigenhändige Abzüge vom Druckstock, die kleine Serie von 5 Stück wird dann in sich variiert. Diese Variation wird schon dadurch begünstigt, daß Lena Göbel im Hand druck arbeitet, die physische statt maschinelle Kraft einsetzt und damit logischerweise eine Variable ins Spiel bringt, die verschiedene Grautöne zuläßt. Diese Vorliebe setzt sich in der Nachbearbeitung der Druckgrafik fort, eine Nachbearbeitung, die eine aufschlußreiche Weiterführung des Arbeitsprozesses ist. Denn jetzt setzt Lena Göbel Farbe ein. Diese Farbe bringt Raum, Emotion, Stimmung. Und welche Farben sind es: es sind keine Instantfarben aus der Tube, es sind Rohmaterialien, Werkstoffe, Pigmente, die dosiert werden, die aber nicht an sich für künstlerische Arbeit gedacht sind. Lena Göbel arbeitet mit Schellack oder Asphaltlack. Der eine erzeugt tiefgründige, bernsteinfarbene Tönung, Asphaltlack gibt, durch Leinöl verdünnt eine breite Skala in Braun und Schwarz. Schellack ebenso wie Epoxidharz bieten eine glänzende Transparenz, die Künstlerin arbeitet hier mit Zufall und Kalkül, chemische Prozesse werden im Lauf der Zeit auch systematisiert. Wichtig für das Gesamtbild ist der Effekt des Durchscheinenden, der die Wucht in Glanz hüllt, der durch die Farbgebung zwischen Hellgelb und Schwarzbraun die Motive mit Wärme auflädt, der sie aber auch versiegelt und objekthaft abschließt. Sie verbindet auf diese Weise skulpturalen Anspruch und farbliche Stimmung. Und sie hält diese Stimmung reduziert, sie setzt keine Farbteppiche, sondern unterstreicht durch die Wahl der Materialien schon den direkten, klaren und kompromißlosen Blick. Ihre Motive sind lebensnah, sie stellen sich im Alltag ein, drängen sich vielleicht auf und fordern heraus. Was früher das Natursujet war, das ist heute die urbane städtische Landschaft. Lena Göbel ging von Oberösterreich nach Wien, von Wien nach Berlin. In eine Stadt im Umbruch, eine Stadt die immer Baustelle ist. Hier arbeitet sie in einem Gruppenatelier. Wir begegnen ihr im Selbstporträt mit Atemschutz, einem authentischen Werkstattbild, die Pose vermeidet sie. Posen sind Lena Göbel ohnedies fremd, sind bestenfalls da, um konterkariert zu werden. Aber so ein Selbstporträt wird rasch relativiert, wird durchgespielt als Experiment mit Gesichtern, als Etappe in der Übung, wie Mund und Augen in Holz zu schneiden sind. Distanz und Materialität rücken jede Selbststilisierung in den Hintergrund oder reflektieren eben das Bild der Künstlerin als eigenes Objekt ihrer Kunst. Genauso holt Lena Göbel die Großstadt und ihre Menschen herein, wählt aus der Architektur, aus der Flüchtigkeit menschlicher Wahrnehmung, aus dem unberechenbaren Rhythmus mit sicherem Auge knappe Bildsequenzen und macht sie gerade durch die ausgeprägte Stofflichkeit ihrer Farbe und ihres Materials zu Ikonen der Rasanz, der Gewalt, des Verfalls und auch der menschlichen Nähe fest.

Dr. Johannes Jetschgo